Einzigartig – Einer der weltweit ältesten Nachweise eines Flugsauriers stammt vermutlich aus der Tongrube Grimmen

Forschung
Beispielbild eines Flugsauriers, genauer eines Rhamphorhynchiden.
Beispielbild eines Flugsauriers, genauer eines Rhamphorhynchiden. Das neue Fossil (links im Bild) aus der Nähe von Greifswald könnte zu so einem kleinen Raubtier aus dem frühen Jura gehört haben – der erste Nachweis eines Flugsauriers in Mecklenburg-Vorpommern. © Illustration von Frederik Spindler, PALAEONAVIX

Der Fund stammt aus einer stillgelegten Tongrube in Klein Lehmhagen. Dort stieß der Greifswalder Geologe Jörg Ansorge 2022 beim Sammeln auf ein winziges Fragment eines länglichen, dünnen Knochens, der sich in der Mitte in zwei beinahe parallel zueinander verlaufende Äste aufspaltet. Das nur 27 mm lange Fragment wurde anschließend präpariert. Mit Mikroskop und hochauflösendem Computertomographen wurde das neue Fossil zusammen mit Marco Schade von der Universität Greifswald untersucht und wissenschaftlich dokumentiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Knochen sehr dünnwandig war und Hohlräume zu enthalten schien; Hinweise, die neben der Form nahelegen, dass es sich um das verschmolzene Schien- und Wadenbein eines kleinen Flugsauriers handelt. Tatsächlich ist aus dem Jura eine Gruppe kleiner, räuberischer Flugsaurier mit Flügelspannweiten um die 1,5 m, langen Schwänzen, wenigen Kilogramm Körpergewicht und auffällig bezahnten Schnäbeln bekannt, die Rhamphorhynchiden. Diese Flugsaurier ernährten sich vermutlich von relativ kleinen Beutetieren wie Insekten und Fischen und lebten vom frühen bis zum späten Jura. Ihre fossilen Überreste sind aus Mittel- und Nordamerika sowie Asien und Europa bekannt. Das neue Fossil könnte also zu den ältesten Nachweisen dieser Gruppe gehören.

Bereits seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden in der bis in die 1990er Jahre kommerziell betriebenen Tongrube Klein Lehmhagen bei Grimmen Fossilien gefunden. Von dort stammt auch der Dinosaurier der Universität Greifswald, Emausaurus ernsti. Im Laufe der Jahrzehnte kamen in der Grube zahlreiche Ammoniten (Kopffüßer, zu denen beispielsweise auch Kraken und Tintenfische gehören), Fische und Meeresreptilien, aber auch Insekten und Dinosaurier-Reste zum Vorschein. Heute ist die Tonscholle, die vermutlich als riesiges Sedimentpaket durch Gletscher aus dem Untergrund angehoben und wenige Kilometer weit transportiert wurde, im Wesentlichen unbegehbar. Erfahrenen Wissenschaftler*innen und Sammler*innen gelingt dennoch hin und wieder ein interessanter Fund.

Das neue Fossil ist etwas jünger als Emausaurus ernsti und stammt aus einer Schicht, in der bisher keine anderen landlebenden Wirbeltiere bekannt waren. Die jurassischen Gesteine der Tongrube und ihr fossiler Inhalt sind ungefähr 180 Millionen Jahre alt und damit aus einer Zeit drastischer Umweltveränderungen, in der sich viele Lebewesen evolutionär diversifizierten, zum Beispiel die Dinosaurier. Auch wenn andere Wirbeltiere ebenfalls geteilte, bzw. verschmolzene Knochen aufweisen können, wie beispielsweise die Unter- und Oberschenkel von Fröschen und einigen Säugetieren, Rippenelemente früher Schildkröten, Meeresreptilien und Vögel, gehen Marco Schade und Jörg Ansorge davon aus, dass es sich in Anbetracht der Entstehungsgeschichte einiger dieser Gruppen, des Ablagerungsraumes in der Fundstätte und der Untersuchungsergebnisse wahrscheinlich eher um den Überrest eines Flugsauriers handelt. Möglicherweise gelangte der Kadaver des Tieres auf die Meeresoberfläche und zerfiel, wobei sich seine Überreste auf dem Meeresboden ablagerten. Sollte es sich tatsächlich um den Rest eines Rhamphorhynchiden handeln, wäre es einer der ältesten Nachweise dieser Tiere weltweit und der erste Flugsaurier in Mecklenburg-Vorpommern.

Weitere Informationen
Publikation: Schade, M., Ansorge, J. Enigmatic fragment possibly marks the first pterosaur record from the Lower Toarcian of Grimmen, NE Germany. PalZ (2024). https://doi.org/10.1007/s12542-024-00698-6

Geologischen Sammlungen des Institutes für Geographie und Geologie

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Dr. Marco Schade
Zoologisches Institut und Museum
Cytology and Evolutionary Biology
Soldmannstraße 23, 17489 Greifswald
marco.schadeuni-greifswaldde

 

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